Vorwort
Ein Laden ist immer so präsent und lebendig wie sein Besitzer. Er ist wie „sein zweites Gesicht“, in dem die Treue zu sich selbst, zum eigenen Handwerk, zur eigenen Kreativität seine Spuren hinterlassen hat.
Meistens bleibt die Beziehung zwischen Laden und seinem Besitzer auch dann unerschütterlich, wenn die tückischen Wendungen wirtschaftlicher Hochs und Tiefs die existentielle Grundlage bedrohen. Für das selbst geschaffene Stück Heimat auf kleinstem Raum lohnt sich der tägliche Einsatz.
Der Laden ist ein Spiegel für das Leben. Immer ist seine Geschichte eng mit der persönlichen Geschichte seines Besitzers verwoben. Wie sich auch gesellschaftliche Veränderungen, manchmal über Generationen hinweg, darin wieder finden lassen.
In Literatur und Film spielt „der Laden“ oft die Rolle als Fokus auf menschliche Verhältnisse. In Erwin Strittmaters Roman „Der Laden“, den Jo Baier als TV-Dreiteiler verfilmte, reflektiert als magischer Dreh- und Angelpunkt der Kramladen mit eigener Bäckerei der Familie Matt in der Niederlausitzer Heide deutsche Geschichte von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart.
In ihrem Roman „Mrs. Dalloway“ beschwört Virginia Woolf mit der Beschreibung eines Londoner Blumenladens mit seinen Ritterspornsträußen, den Fliederdolden und Nelken, den Schwertlilien und den violetten, schneeweißen, bleich getönten Wicken, als „wären es Mädchen in Musselinkleidern“ eine Vision der zerbrechlichen Seelenlandschaft der Protagonistin, die in ihrer Lebenskrise über die Vergänglichkeit allen Lebens nachgrübelt.
Lebendig in der Erinnerung bleibt auch das Bild des Delikatessenladens in einer belebten Geschäftsstraße eines Städtchens im Rheingau, von dessen appetitlichen Auslagen ein junger Mann namens Felix Krull auf seinem täglichen Schulweg magisch angezogen wird: „Man hört den Schlag der Glocke über der Eingangstür, die beim Öffnen und Schließen von dem Zahn einer kurzen Metallstange erfasst wird“ und dann steht man mit Felix verzaubert und nimmt die Atmosphäre des Ortes auf, wo die Düfte von Honigkuchen, raffinierten Pralinés und feiner Biskuits sich mit den Ausdünstungen von geräuchertem Lachs und erdigen Trüffeln mischen. Wie bekannt, wird Felix Krull sein ganzes Genie dafür einsetzen, um im späteren Leben an diesen Genüssen des Lebens teilzuhaben.
Der Laden als Schlaraffenland bei Thomas Mann. Anders bei Christa Wolff, die in ihren „Kindheitserinnerungen“ die kleinbürgerlichen Lebensverhältnisse beschreibt, in denen die kleine Nelly aufwächst, wo das Eckschaufenster des väterlichen Ladens mit Kathreiner-Malzkaffee und Knorr`s Suppenwürsten dekoriert ist. Ein paar Straßen weiter unterbietet der Kaufmann Rambow in seinem Laden die Zuckerpreise, um die Konkurrenz nebenan auszustechen. Später wird sich Kaufmann Rambows Laden in einen Genossenschaftsladen verwandeln.
Wie die Verhältnisse sich ändern im Laufe der Zeit, so verändern sich die Gesichter der Menschen und mit ihnen verändern sich die Dinge um sie herum.
Der klassische Laden ist vom Aussterben bedroht. Kleine selbstständige Einzelhändler werden endgültig aus deutschen Innenstädten verdrängt und die Konzentration von Discountern und großen Marktketten nimmt zu. Tatsachen, die nicht wegzuleugnen sind.
Aber ebenso ist es eine Tatsache, dass sich immer wieder junge, kreative Leute mutig gegen den Trend der Zeit stellen, sich auf das eigene Handwerk, auf eigenes Können und Wissen verlassen und sich mit einem eigenen Laden selbstständig machen. An innovativen Geschäftsideen mangelt es nicht und das Publikum applaudiert.
Ursula Jeshel
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